10 Apr
Villa Musica interviewt ihren scheidenden Vorstandsvorsitzenden Hofmann-Göttig: “Nachgefragt” …
Posted in Interviews/Gespräche JoHo, Medien/Presse zu JoHo by joho Keine KommentareInterview Wortlaut der Villa Musica mit Kultur-Staatssekretär und Vorstandsvorsitzendem der Landesstiftung Villa Musica, siehe: http://www.villamusica.de/magazin/hofmann-g%C3%B6ttig-r%C3%BCckblick, 16.03.2010:
“ Nachgefragt: Durch Villa Musica zur Kammermusik gekommen
Im wahrsten Sinne mit einem lachenden und einem weinenden Auge begrüßte man den Ausgang der Koblenzer Oberbürgermeisterwahl, denn der Sieg des (als unabhängiger Bewerber angetretenen) Kandidaten Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig bedeutet für ihn den Abschied vom Amt des Kulturstaatssekretärs und somit für Villa Musica von ihrem langjährigen Vorstandsvorsitzenden. Im Interview hält der Kulturfreund Rückschau.
Frage: Mit der Wahl zum Oberbürgermeister der Stadt Koblenz scheiden Sie als rheinland-pfälzischer Kulturstaatssekretär und damit auch Vorstandsvorsitzender von Villa Musica aus – mit welchem Gefühl?
Hofmann-Göttig: Natürlich freue ich mich auf die neue Aufgabe als Oberbürgermeister! Zugleich ist es auch nicht ganz einfach, das bisherige Amt aufzugeben. Ich war sehr gerne Kulturstaatssekretär und genieße auch die letzten Tage und Wochen in dieser Position. Zu dieser Aufgabe gehört die Leitung von drei Stiftungen: das Arp-Museum, das Hambacher Schloss und eben auch Villa Musica. Sowohl zeitlich als auch emotional war dies seit jeher ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Insofern ist da auch ein bisschen Wehmut: Villa Musica in ihrer heutigen Verfassung habe ich ein Stück weit mit aufbauen dürfen und habe sie seit 1992 mit einer kurzen Unterbrechung über einen sehr langen Zeitraum begleitet.
Frage: Sie bekleideten das Amt des Kulturstaatssekretärs zwei Mal mit einer Unterbrechung; sehen Sie Unterschiede zwischen den beiden Amtsperioden? Was hat sich in den Jahren verändert?
Hofmann-Göttig: Für mich war das etwas ganz Zentrales, denn ich war früher Staatssekretär für Kultur und Bildung. Im zweiten Durchgang meiner Amtszeit seit 2006 war ich ausschließlich für Kultur zuständig und konnte mich 80 Stunden in der Woche voll in diesen Bereich stürzen. Das war eine ganz andere Intensität; und wenn ich ganz ehrlich bin, hat mir das viel mehr Freude als früher bereitet, denn man hatte den Eindruck, den „Laden“ ganz gut überblicken zu können, wenn man wirklich seine ganze Zeit und Energie für einen bestimmten Bereich der Politik investieren kann. Das bietet die große Chance, sehr viel zu gestalten und auch wirklich Einfluss nehmen zu können. Und insofern habe ich die letzten vier Jahre als besonders intensiv empfunden.
Frage: Welchen Anteil hatte daran die Musik?
Hofmann-Göttig: Einen sehr großen. Ich bin immer vorsichtig, bestimmte Sparten als Lieblinge zu bezeichnen, aber wenn ich so in mich hineinhorche und mich frage, was mir persönlich am meisten gibt, dann würde ich schon sagen, dass Musik und Kleinkunst diejenigen sind, die mir neben dem – leider viel zu kurz gekommenen – Film die größte Freude bereitet haben. In der Musik ist vor allem die Kammermusik, wie sie mir durch Villa Musica nahegebracht wurde, eine Disziplin, die mir besonders viel Spaß gemacht hat – vor allem der Nähe zu den Künstlern wegen. Das ist schon ein besonderes Erlebnis, das einem die Kammermusik bietet. Insoweit kann ich schon sagen, dass mir die Musik ganz besonders wichtig geworden ist.
Frage: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Konzert von Villa Musica?
Hofmann-Göttig: Nein. Ich kann Ihnen etwas von einem der ersten Konzerte erzählen, aber ob es das erste war, weiß ich nicht mehr. Damals trat die russische Folkloregruppe Skomorochi hier in Mainz im Landesmuseum auf und dort hatte ich ein Grußwort zu sprechen, noch bevor ich 1992 Vorsitzender von Villa Musica wurde.
Frage: Was ist Ihr schönstes Erlebnis „in der“ Villa Musica gewesen?
Hofmann-Göttig: (überlegt) Ich habe wirklich Schwierigkeiten, diese Frage zu beantworten, weil ich mich nicht an eine spezifische Situation erinnern kann. Aber die „Tage der offenen Tür“ in der Villa Musica waren alle Tage, über die ich wegen des großen Publikumszuspruchs und der positiven Emotionalität, die wir in die Breite tragen konnten, richtig glücklich war. Das waren für mich immer besondere Tage. Dazu gehören auch die „Tage der offenen Tür“ in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin, die Villa Musica zusammen mit RheinVokal nach dem Mainzer Vorbild veranstaltet. Ich würde gerne viele Open Air-Konzerte im Schlosshof von Engers nennen. Es gab wunderbare Konzerte zur Saisoneröffnung in der Villa Ludwigshöhe und genauso tolle zum Auftakt von Musik in Burgen und Schlössern in Engers. Und ich erinnere mich sicher an einige intensive Konzerterlebnisse an bestimmten Orten, gerade in Burgen und Schlössern.
Frage: Was sind in Ihren Augen die Höhepunkte Ihrer beiden Amtsperioden? Wo konnten und wollten Sie besondere Akzente setzen?
Hofmann-Göttig: Ich denke, dass die Organisationsreform des Jahres 1992, die ich vorbereitet und durchgeführt habe, ein ganz wichtiger Punkt ist, warum die Villa Musica heute eine so geachtete und gute Organisation geworden ist. Die Stiftung existierte ja schon einige Jahre vor meinem Amtsantritt, aber wir haben sie kräftig umgestaltet und einen Vorstand berufen, der auch wirklich als Gesamtvorstand wirkte. Statt einer Person mit „Beiwerk“ gibt es seither einen Arbeitsvorstand, in dem jedes Mitglied eine reale Funktion hat: Wir hatten damals mit Kurt Karst einen hauptamtlichen Geschäftsführer berufen, der dazu beitrug, dass Villa Musica eine sehr effektiv arbeitende Geschäftsstelle bekam; wir richteten den Künstlerischen Beirat ein, der den Vorstand seitdem in künstlerischen Fragen berät. Damit hatten wir eine klare Trennung zwischen dem Vorstand als strategische Steuerungsinstitution und einem Beirat, in dem die künstlerischen Fragen intensiv besprochen werden können. Und wir haben mit Prof. Klaus Arp einen Künstlerischen Leiter berufen, der das Programm vorbereitet und gemeinsam mit dem Vorstand verantwortet sowie mit dem Leiter des Ensembles Villa Musica – damals war das Prof. Ulf Rodenhäuser, heute ist es Prof. Kalle Randalu – eine Person, die den Dozenten vorsteht. Damit bekam Villa Musica eine klare und durchschaubare Struktur. Dann haben wir die Frage, wie man eigentlich Stipendiat von Villa Musica wird, neu beantwortet. Statt Zufall und Zuruf haben wir das Procedere mit Ausschreibung und Probespiel vor einer Jury demokratisiert, so dass statt Beziehungen allein die künstlerische Qualität zählt. Darüber hinaus begannen wir damit, das Dozenten-Team ständig rotieren zu lassen, so dass auch junge Professorinnen und Professoren die Möglichkeit haben, in unsere Lehrtätigkeit einbezogen zu werden. Im Übrigen gibt es einige Eckpunkte der inhaltlichen Arbeit, auf die ich natürlich auch besonders stolz bin. Dazu gehört die Gründung des Freundeskreises der Villa Musica, die ich angestoßen habe; das ist ja mit 650 Mitgliedern heute ein richtig mächtiger Kreis geworden, was sogar meine persönlichen Visionen übertroffen hat – meine Zielmarke waren zu Beginn 500. Die Freunde der Villa Musica sind sehr wichtig, die elitäre Institution auch für die Breite zu öffnen und zu zeigen, dass Qualität nicht für wenige gemacht wird. Als alter Burgen- und Schloss-Narr liegt mir natürlich auch die Reihe „Musik in Burgen und Schlössern“ sehr am Herzen, denn Rheinland-Pfalz hat hier unglaubliche Schätze. Und diese mit Kammermusik zu bespielen, ist einfach eine ganz tolle Geschichte und nach wie vor meine Lieblingsreihe von Villa Musica. Der schon erwähnte „Tag der offenen Tür“ als Schmelztiegel der Begegnung von Musikliebhabern gehört sicherlich auch zu den besonderen Akzenten – 2009 hatten wir über 4.000 Besucher! Und dann natürlich Schloss Engers als das musikalische Zentrum von Rheinland-Pfalz. Das war zwar nicht meine Idee, sondern die meines Amtsvorgängers Ernst Maurer – aber ich durfte sie umsetzen, was mir zur Herzensangelegenheit wurde. Ich habe unzählige Besuche in Schloss Engers hinter mir – und hoffentlich auch noch vor mir. Hier möchte ich vor allem auch die Open Air-Reihe erwähnen, die als „Strahl-Projekt“ dazu beiträgt, Schloss Engers auch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen.
Frage: Sie haben mal bekannt, dass die Arbeit als Vorstandsvorsitzender von Villa Musica Ihnen die Tür zur Kammermusik geöffnet habe. Wie ging das vor sich?
Hofmann-Göttig: Ich habe eine schreckliche Karriere als Geigenspieler hinter mir, denn ich war ein Geigenspieler wider Willen, ein miserabler dazu und habe mit 16 Jahren aufgehört. Im Grunde hatte ich zur Kammermusik von meiner Biografie her überhaupt keinen Bezug. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, vor meiner Zeit als Kulturstaatssekretär jemals bewusst in einem kammermusikalischen Konzert gewesen zu sein. Was das überhaupt ist, habe ich erst da kennengelernt und ich bin auch nicht Vorsitzender von Villa Musica geworden, weil ich besondere Neigungen zur Kammermusik hatte, sondern weil mir klar war, dass wir hier ein kulturpolitisches Instrument haben, mit dem wir in Rheinland-Pfalz etwas gestalten können. Und dann ist natürlich klar, dass man, wenn man in diesem Amt nicht wie „Pik 7“ dabeisitzen möchte und keine Ahnung hat, auch hingegen sollte, um zu wissen, worum es eigentlich geht. Und relativ schnell begann mir das richtig zu gefallen! Schon nach wenigen Konzerten waren das für mich keine Pflichttermine mehr, sondern sie wurden zu etwas, auf das ich mich richtig gefreut habe – aufgrund der besonderen Qualität der Instrumentalisten und vor allem auch der einmaligen Verbindungen zwischen Musik und Raum, der Nähe des Publikums zum Künstler. Man hat den Eindruck, dass da eine Symbiose entsteht, dass da was zusammenwächst. Und wenn man dann auch noch Schritt für Schritt die Musiker, Dozenten und Stipendiaten immer mehr kennenlernt, was ja das Typische bei Villa Musica ist, dann existieren da ganz andere Bindungen: Man ist neugierig und es entsteht etwas Mitreißendes. Insofern ist die Liebe beim Machen gekommen.
Frage: Das persönliche Geigenspiel wurde aber durch diese Liebe nicht wiederbelebt?
Hofmann-Göttig: Nein. Seit meinem 16. Lebensjahr hatte ich nicht mehr gespielt, aber vor ein paar Jahren eine Geige geerbt. Und ich war mir eigentlich sicher, über die lange Zeit alles verlernt zu haben. Jetzt erlebte ich aber eine große Überraschung: Die Griffe habe ich noch alle drauf und ich kann sogar zweite und dritte Lage noch genau treffen. Womit ich Schwierigkeiten hatte, war die Bogenführung. Das hatte ich eigentlich für das Einfachste gehalten. Präzise die Saiten treffen kann ich also nicht mehr – aber die Fingerfertigkeit funktioniert noch wunderbar. Meine Frau spielt Klavier und würde es gerne sehen, wenn ich im Ruhestand wieder mit der Geige anfange und wir dann – natürlich auf bescheidenstem Niveau, zumindest was mich angeht – Kammermusik machen können. Das schließe ich heute nicht mehr aus.
Frage: Hand aufs Herz: Hätten Sie sich auch ohne das Konzertangebot von Villa Musica jemals mit zeitgenössischer Kammermusik beschäftigt?
Hofmann-Göttig: Todsicher nicht. Und ich hätte zu dieser Thematik sicherlich auch eine ganz andere Meinung, wenn ich nicht als Vorsitzender von Villa Musica sozusagen zwangsverpflichtet wäre, mich mit zeitgenössischer Musik – ich gebe zu: am Anfang widerwillig – zu beschäftigen. Heute bin ich ganz anderer Auffassung: Ich halte es für absolut erforderlich und wichtig, dass sich Villa Musica um die zeitgenössische Musik kümmert und finde es auch richtig, dass wir das in der Regel mit „Appetithäppchen“ tun, also nicht das Publikum mit atonaler und gelegentlich auch schmerzhafter Musik bombardieren und überfordern, sondern diese immer punktuell und in überschaubarer Länge einbauen. Hilfreich ist es immer, wenn diese Musik auch erklärt wird, weil ich bei mir immer wieder erlebt habe, dass das, was ich als einfacher Hörer nicht sofort begreife, mir sehr viel mehr gibt, wenn der Instrumentalist vorher sagt, worum es geht und man damit Anknüpfungspunkte hat, auf die man besonders achten kann. Ich habe häufig erlebt, dass ich den zeitgenössischen Moment als den eigentlichen Höhepunkt eines Konzerts erfahre, weil ich hier mittlerweile viel offener und neugieriger auf musikalische Entdeckungen bin.
Frage: Wird die Musik Sie auch weiterhin begleiten?
Hofmann-Göttig: Ganz sicher! Das ist jetzt so tief drin… Die Kammermusik ist ein Teil meines Lebens geworden und auch als Oberbürgermeister von Koblenz, das mit der Rheinischen Staatsphilharmonie, dem Stadttheater und der freien Szene ein sehr breites, auch musikalisches Kulturleben hat, werde ich sie weiter zu würdigen wissen.
Frage: Auch als OB werden Sie einen dicken Terminkalender haben. Gibt es aber etwas bei Villa Musica, von dem Sie heute schon wissen, dass Sie es vermissen werden?
Hofmann-Göttig: Ich werde leider kaum noch Gelegenheit haben, „Musik in Burgen und Schlössern“ zu hören. Aber ich habe mir fest vorgenommen, mich als Oberbürgermeister der Hauptstadt des Nordens und des Oberzentrums der Mittelrhein-Region gerade auch dort zu zeigen und so werde ich mit Sicherheit in Engers oder Namedy zu sehen sein. Der Kontakt wird keinesfalls abreißen – zumal ich ja auch Mitglied der Freunde von Villa Musica bin und bleibe.
Frage: Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger im Amt?
Hofmann-Göttig: Ich wünsche ihm, dass ihm auch das gleiche Glückserlebnis wie mir zuteil wird, nämlich dass mit der Übernahme dieses Amtes auch die Liebe zu diesem Bereich kommt und wächst. Wir haben mit Villa Musica einen einmaligen Schatz, um den wir in ganz Deutschland und auch international beneidet werden. Sie ist eine einzigartige Institution und wird von unglaublich tollen Menschen geführt, die ihr Handwerk beherrschen – das gilt für die Vorstände, für die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle und das Dozenten-Team. Man kann hier mit den Stipendiaten Nachwuchstalente kennenlernen, auf die man richtig stolz ist, wenn man sieht, was aus ihnen geworden ist. An solch einem Prozess als Vorstandsvorsitzender teilhaben zu dürfen, ist ein großes Glück, und ich hoffe sehr, dass mein Nachfolger Walter Schumacher das genauso erlebt.
Frage: Haben Sie für Herrn Schumacher denn, was das Konzertangebot von Villa Musica betrifft, einen besonderen Tipp?
Hofmann-Göttig: Er sollte sich auf jeden Fall bei „Musik in Burgen und Schlössern“ tummeln, weil das sehr emotionale Erlebnisse sind. Als Tipp nenne ich hier Schloss Bürresheim, verträumt mit ganz kleinem Platzangebot, wo wir deswegen wunderbare Wandelkonzerte veranstalten, wo man in verschiedenen Räumen Musik hören kann. Aber auch die Villa Ludwigshöhe und natürlich das Hambacher Schloss mit seinem tollen Konzertsaal in Verbindung mit der vorzüglichen Gastronomie ist ein richtiger Erlebnisort.
Frage: Was passiert eigentlich mit Ihrer Sammlung von Schlipsen mit Musikmotiven?
Hofmann-Göttig: (lacht) Ich gebe zu, dass ich in meiner Freizeit keinen Schlips trage und den Krawattenzwang eher als lästig empfinde. Weil das so ist, wollte ich aus dieser lästigen Übung etwas machen, das mir Freude bereitet. Und so entstand diese Marotte, bei jeder Kulturveranstaltung einen Schlips mit einem musikalischen Motiv zu tragen. Das hat harmlos angefangen und sich zu einer echten Sammlerleidenschaft entwickelt: Ich besitze jetzt über 120 solche Binder und trage nahezu täglich einen von ihnen – mittlerweile richtig gerne. Wenn schon Schlips, dann einen Musikschlips. Und das werde ich auch weiterhin so halten, um meine Verbundenheit zur Kultur schon rein optisch zum Ausdruck zu bringen. Als Mann hat man ohnehin nicht so viele Möglichkeiten, ein bisschen unorthodox zu erscheinen und da ist dieser kleine Spleen doch ein charmanter, zu dem ich gerne stehe. Vielleicht mache ich auch mal wieder eine Ausstellung, wo ich alle Krawatten zeige. (grinst) Mein Nachfolger bekommt davon auf jeden Fall keine ab. “
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