Interview von : Pascal Badziong 03.03.2010

„Schloss Engers ist für mich ein reiner Wohlfühlort“

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Villa Musica und Kultur-Staatssekretär des Landes Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig, ließ die Ge-schichte der wichtigsten deutschen Kammermusikakademie Revue passieren
Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig
zählt zu den dienstältesten Staatssekretären in Deutschland. Seit 1991 ist er Staatssekretär des Landes Rheinaland-Pfalz und wurde 1992 erstmals Vorstandsvorsitzender der Villa Musica. Nach 10 Jahren (2001) wurde das Ministerium neu zugeschnitten und Hofmann-Göttig kümmerte sich bis 2006 um die Bildung des Landes Rheinland-Pfalz. Schließlich kehrte er in das Amt des Kultur-Staatssekretärs und somit als Vorstandsvorsitzender der Villa Musica zurück und übt dieses noch bis zum 30. April 2010 aus.

In einem Interview blickte der neu gewählte Oberbürgermeister der Stadt Koblenz auf die Entwicklung des Schlosses Engers und die Akademie für Kammermusik der Stiftung Villa Musica zurück.

Wie hat die Villa Musica ihren Weg nach Engers gefunden?

Hofmann-Göttig: Dies habe ich meinem Vorgänger zu verdanken. Einer der ersten Tage, nachdem ich Kultur-Staatssekretär wurde, kam der damalige Vorsitzende der Villa Musica, Ernst Maurer, zu mir und sagte, dass die Tätigkeit des Kultur-Staats-sekretärs das Schönste sei, was das Land Rheinland-Pfalz zu bieten habe, aller-dings nur, wenn man sich hier im Haus nicht einmauern ließe und nach Draußen gehe, wo die Kultur stattfände und ich mir insbesondere unsere schönen Burgen und Schlösser ansehen würde. Von Jugend an haben mich Burgen und Schlösser immer sehr interessiert und diesen Tipp wollte ich gerne beherzigen. Maurer machte für mich ein Tagesprogramm mit den Projekten, von denen er glaubte, dass sie mich besonders interessieren müssten. Am Mittelrhein zeigte er mir das ein oder andere Objekt, an dem es noch was zu tun gab. Er hat mir Schloss Sayn als Ruine gezeigt, mit dem Hinweis, dass man dort helfen müsse, Burg Namedy und schließlich Engers. In Engers verriet er seine Idee, aus dem neuen´ Landesbesitz einmal den künstlerischen Hauptsitz der Villa Musica zu machen. Allerdings würde das viel Geld kosten und ob wir das je hinbekämen, war sehr ungewiss. Diese Reise wurde dann in den nächsten Jahren zur echten Herausforderung für mich, denn eine Idee zu haben ist das eine, aber sie auch zu realisieren etwas anderes. Somit war das Zentrum der Kammermusik nie meine Idee, aber meine Idee war die Umsetzung und das Finanzierungskonzept, das sich aus Wolokolamsk ergab. Dort war ein deutsch-russisches Versöhnungswerk geplant, wofür 22 Millionen DM vorgesehen waren. Das schien mir ein problematisches Projekt und die Dinge entwickelten sich noch dramatischer als ich mir zunächst vorstellen konnte. Hätten wir das Projekt umgesetzt, so hätten wir eine zweistellige Millionensumme in den Sand gesetzt. Durch eine Umwidmung konnten wir schließlich 20 Millionen DM frei machen, die Schloss Engers zugute kamen. 1995 waren wir dann in der glücklichen Lage die Akademie für Kammermusik in Engers zu eröffnen.

Welche Erlebnisse in Verbindung mit Schloss Engers zählen zu Ihren persönlichen Höhepunkten?

Hofmann-Göttig: Da gibt es sehr viele. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich schon in Engers war. Gerade in der Anfangsphase war ich wöchentlich da und manchmal sogar mehrfach die Woche. Wie es immer in diesem Job so ist, wenn es erst einmal rund läuft, dann ist man nur noch selten dort. Aber es erst einmal dahin zu bringen, bedarf es einer hohen Zeitaufwendung und einem nachhaltigen persönlichen Engagement. Schloss Engers war für mich in den 90er Jahren das Hauptprojekt. Das schönste Erlebnis herauszugreifen ist doch sehr schwierig. Es gab Open Air-Konzerte, die werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Wenn ich unbedingt eins nennen soll, dann würde ich das Konzert mit Chris de Burgh herausgreifen. Aber auch kammermusikalische Höhepunkte ließen sich endlos aufzählen. Ich nenne der Einfachheit halber das zurückliegende Eröffnungskonzert der Reihe „Musik in Burgen und Schlössern“. Ich habe in Engers schon sehr viele schöne Abende erlebt. Und würden Sie mich umgekehrt fragen, ob ich mich in Engers einmal richtig geärgert habe. Nein, Schloss Engers ist für mich ein reiner Wohlfühlort. Ich kann von keiner negativen Geschichte in Engers berichten. Die Open Air-Konzerte auf demSchlosshof finden einen gewaltigen Anklang.

Warum bietet eine Stiftung für Kammermusik Konzerte mit Stars aus dem Schlager-, Swing und Showbusiness an?

Hofmann-Göttig: Diese Frage wird häufig gestellt und sie wird auch in den Gremien der Villa Musica immer wieder diskutiert, denn es ist doch auf den ersten Blick eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung. Wir sind eine Organisation für Kammermusik, also eigentlich eine Organisation, die in den Festsälen Veranstaltungen anbietet. Es wäre ja vielleicht noch erklärbar, wenn wir dort ein Symphonieorchester nach der Devise, das Orchester ist sozusagen die Großausgabe der Kammermusik, auftreten ließen. Da Kammermusik immer nur für kleine Publikumsgruppen ausgelegt ist, was natürlich in der Natur der Sache liegt, und auch die Faszination von Kammermusik ausmachen soll, wollen wir mit den Open Air-Konzerten ein breiteres Publikum ansprechen. Schloss Engers ist aber auch als Denkmal so bedeutend, dass man auch für das Schloss selbst werben muss. Daher ist es schön, dass wir dort eine Außenstelle des Standesamtes haben und auch immer wieder wechselnde Ausstellungen veranstalten. Es ist somit auch gut, dass wir den Vorhof nutzen können, um verschiedensten Aktivitäten dort platzieren zu können, wobei die Open Air-Reihe sicherlich die wichtigste ist. Die Open Air-Konzerte sprechen eben ein breites Publikum an und schreiben mittlerweile auch schwarze Zahlen, die motivieren weiterzumachen und den guten Namen von Schloss Engers in die Welt zu tragen. Schloss Engers hat nicht nur eine künstlerische Bedeutung für die Region, sondern ist auch ein Wirtschaftsstandort.

Gibt es für den Erfolg der Schloss Engers Betriebs GmbH ein Erfolgsrezept?

Hofmann-Göttig: Es ist ein mittelständiger Betrieb entstanden, der wichtige Arbeitsplätze schafft. Zählt man alles zusammen, beschäftigt die GmbH etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir machen dort einen Umsatz von ca. 2,5 Millionen Euro, was natürlich nicht immer so war. Ich möchte jetzt nicht die einzelnen Stationen der Gastronomie nachzeichnen, aber man kann sagen, dass nicht Alles gelungen war, was wir am Anfang versucht haben. Wir haben uns an ein Erfolgsrezept herangetastet. Der heutige Weg mit der Bildung einer eigenständigen Betriebs GmbH als Tochter der Landesstiftung Villa Musica, hat sich zunächst einmal strukturell als der richtige Weg entschieden. Wir haben sozusagen die Hand drauf, aber zugleich ist sie unabhängig und wir profitieren auch noch vom wirtschaftlichen Erfolg der GmbH. Es ist wie so vieles im Leben. Strukturen sind das Eine, aber Personen sind das Entscheidende. Wir hatten das Glück am Ende ein gutes Team gefunden zu haben. Mit dem heutigen Generalsekretär der Stiftung Villa Musica, Kurt Karst, als Schnittstelle zur Stiftung und den Geschäftsführer der Betriebs GmbH, Arno Gattschau, der einfach einen fantastischen Job macht und auch was von Marketing versteht. Somit kann man sagen, dass das Erfolgsrezept in Engers jetzt Pate steht für das nächste wichtige Projekt, nämlich dem Hambacher Schloss.

Wie schätzen Sie die regionale und nationale Wirkung von Schloss Engers ein?

Hofmann-Göttig: Die regionale Wirkung ist natürlich enorm und ich glaube, dass Schloss Engers in der Region einen hohen Bekanntheitsgrad erzielt hat. Natürlich keinen, mit dem wir schon zufrieden sind und man sich auf den Lorbeeren ausruhen kann. Man muss sich darüber im Klaren sein, Engers ist ein winziger Ortsteil von Neuwied und Neuwied ist auch keine Großstadt. Der Einzugsbereich von Schloss Engers hat einen Zirkel von mindestens 60 Kilometern und vielleicht auch darüber hinaus. Die Leute kommen aus Bonn, aber auch aus dem Mittelrheintal und zunehmend auch aus Mainz oder der Pfalz. Dieser Zirkel ist also das Minimum und manche Leute fahren auch 100 oder 200 Kilometer. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kulturinteressierten Schloss Engers noch besser kennen lernen, als das jetzt schon der Fall ist. Es handelt sich schließlich schon um 65.000 Menschen, die in einem Jahr ein- und ausgehen. Was die nationale Bedeutung anbelangt, so muss man hier einen langen Atem haben. Es ist nicht einfach, ein ursprünglich völlig unbekanntes Objekt national zu etablieren. Als wir 1995 mit der Gründung der Kammermusik sozusagen ans Netz gingen, da kannte noch kein Mensch Engers. Mittlerweile ist Engers in Fachkreisen gut bekannt. Ich glaube, wer sich für Kammermusik in Deutschland interessiert, der hat schon von Schloss Engers gehört. Ich sage heute, Schloss Engers hat nationalen Rang, der weiter Entwicklungsfähig ist, damit das Image noch populärer wird, als es heute schon ist.

Wird man Sie als neuer Oberbürgermeister der Stadt Koblenz weiterhin auf Schloss Engers antreffen können? Und wenn ja, was macht für Sie Schloss Engers als Privatmann besonders attraktiv?

Hofmann-Göttig: Zunächst hoffe ich, dass ich die Frage mit Ja beantworten kann. Ich habe es mir jedenfalls vorgenommen und zwar nicht als Privatmann, sondern bewusst auch als Oberbürgermeister der Stadt Koblenz ein bis zweimal im Jahr nach Engers zu kommen. Weil ich mir vorgenommen habe als Oberbürgermeister natürlich innerhalb der Stadt, aber auch in der Region zu wirken. Ich glaube, wer Oberbürgermeister der Stadt Koblenz ist, muss sehen, dass er eine Stadt vertritt, die ein Oberzentrum und die Hauptstadt des Nordens ist. Wir können nicht nur erwarten, dass die Menschen zu uns nach Koblenz kommen, sondern wir müssen auch unseren Respekt vor den Dingen ausdrücken, die in der Region passieren. Somit werde ich gelegentlich ganz offiziell zu den Aktivitäten erscheinen, um meine Referenz gegenüber der Mittelrheinregion zu erweisen. Was den Privatmann anbelangt, so werden wir sehen, wie viel Zeit ich als Privatmann überhaupt noch haben werde. Eines ist auch klar. Es gibt in Rheinland-Pfalz ein paar Lebensorte, also Orte von denen ich sagen würde, sie sind Teil meiner Biografie geworden, weil ich viel Zeit mit ihnen verbracht habe. Dazu gehört Schloss Engers, das Arp Museum im Bahnhof Rolandseck und neuerdings auch das Hambacher Schloss. An diesen drei Orten fühle ich mich somit auch privat wohl. Das trifft auf Engers natürlich in ganz besonderer Weise zu, da ich dort auch geheiratet habe, sodass auch eine besondere emotionale Verbindung zu diesem Ort gegeben ist.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger für die zukünftige Beschäftigung mit Schloss Engers?

Hofmann-Göttig: Ich wünsche ihm, auch wenn er die ganze Geschichte des Schlosses nicht im kleinsten Detail kennt, da er mit der Entstehung nichts zu tun hatte, dass er den Zauber dieses Schlosses entdeckt. Wenn dieser Zauber ihn erreicht, dann wird er auch erfolgreich mit dazu beitragen können, anzuknüpfen an das, was der Vorstand der Villa Musica in den letzten Jahren immer wieder versucht hat, nämlich den guten Ruf des Schlosses nach Außen zu tragen. Das fordert den Vorsitzenden der Villa Musica ganz persönlich. Wenn es auch noch der ehemalige Regierungssprecher ist, der sich mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in besonderer Weise auskennt, dann kann das für die Villa Musica eine große Chance sein.

Foto: Pascal Badziong

 

 

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