08:10 Ein uneffektiver Arbeitstag beginnt, denn vor 16:30 Uhr passiert im Plenum des UNESCO-Komitee nichts.

09:00 Frühstück mit Bertram Fleck.

10:00 Im Hotelzimmer bearbeite ich etliche Emailanfragen, recherchiere im Internet die Nachrichtenlage zur aktuellen Presseberichterstattung in
Deutschland, einschließlich der  aktuellen Sendung von TV-Mittelrhein. So bin ich auf dem Laufenden.

12:00 Mit Christian Schüler-Beigang redigiere ich gemeinsam den Text unserer Stellungnahme gegenüber der Position der Weltdenkmalorganisation ICOMOS zur Mittelrheinbrücke. Schüler-Beigang wird die Stellungsnahme noch ins Englische übersetzen, so dass wir mit einem Text-Versatzstück gewappnet sind, falls Fragen in diese Richtung im Plenum der Komitee – Tagung zu beantworten sind.

12:30 Nun wird es Zeit für meinen Jogging-Lauf, wieder die 5,2 km zur Kongresshalle und zurück. Bei über 30 Grad mittags doch etwas anstrengender als sonst morgens.

15:00 Ich mache mich auf den Weg zur Kongresshalle. Dort ist die Nachrichtenlage hinsichtlich unseres Themas Mittelrheinbrücke ohne Neuigkeit.

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Folgenden, weiteren Bericht sende ich an die Journalisten in Deutschland:

„Bericht aus Sevilla
Samstag, 27. Juni 16:15

Soeben verlautet, dass das Komitee – in Abänderung der gestrigen Debattenreihenfolge – vor hat, heute die neuen Nominierungen für die Welterbeliste durchzuziehen. Dafür ist ein Zeitkorridor bis 21.00 vorgesehen. Ob das reicht, weiß niemand.

Der gestern begonnene TOP 7 B “Status of Conservation…” soll sodann Sonntagmorgen fortgeführt werden. Wir haben ein Zeichen bekommen, dass in diesem Block sodann der Mittelrhein vorangestellt wird. Das wäre immerhin einmal eine positive Nachricht. Freilich steht sie unter der Voraussetzung, dass man heute wirklich mit den Nominierungen durchkommt. Das Komitee tagt schließlich noch bis Montag…

Ich werde mich, soweit hier nichts Überraschendes geschieht, morgen früh um 10:00 melden (soweit die Session das erste Mal pünktlich eröffnet werden sollte).

Sollte ein Empfänger dieser Email den Eindruck gewinnen, ich sei von dem Verfahren hier angefressen, dann kann ich diesen Eindruck nur ausdrücklich bestätigen. Ich beneide die Empfänger des Emails, die das Chaos wenigstens geordnet vorgetragen bekommen, was auch nur auf Grund unserer eigenen Recherchen vor Ort und guter Ablaufkenntnis gelingt. Wir haben schließlich mit Bernd von Droste den Gründungsdirektor des Welterbezentrums in unserer Delegation.

Also: Schönen Samstagabend. Für freundliche – und nur solche – Aufmunterungen bin ich aufgeschlossen.“
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Einige Journalisten und Journalistinnen reagieren freundlich. Das ist gut für die Stimmung.

20:00 Wieder einmal eine dieser unendlichen Sitzungspausen, vermutlich mit Rücksicht auf die Simultandolmetscher, die hier einen anstrengenden Job machen.

Übrigens: So undiszipliniert es hier mit dem Zeitmanagement zugeht, die Teilnehmer/Teilnehmerinnendisziplin ist bemerkenswert: Gestern Abend um 23:00 waren sicherlich noch 400 „Observer“ im Raum. Auch heute Abend ist noch ziemlich volles Haus. Die 21 Komitee-Nationen sind darüber hinaus stets mit einigen Personen anwesend.

Wenn ich schon die Abläufe heftig kritisiere, was die mangelnde Verlässlichkeit und Planbarkeit anbelangt, es gibt auch gute Dinge:
Die Beschlussvorlagen werden ständig englisch und französisch mit allen Abstimmungsvarianten auf große Leinwände projiziert, so dass für das UNESCO-Komitee und die Observer die Abstimmungslage transparent ist. Unser Senior-Profi Bernd von Droste berichtet, dass es niemals zuvor dies gegeben habe. Allerdings trägt dieses Verfahren auch zur Verlangsamung der Beratungen bei, weil jedes Komma debattiert werden kann und nichts mehr nachbereitet werden muss. Dafür geht es demokratischer zu, weil nur beschlossen wird, was die Komitee-Mitglieder verfolgen können.

Das eigentliche Problem dieser Abläufe ist, dass die ursprüngliche Tagesordnung nicht gut genug vorab gestimmt wurde und die Sitzungen niemals pünktlich beginnen. Allein auf diesem Weg, so schätze ich, gehen am Tag zwei Stunden Beratungsverlauf verloren.
Eine derartige Arbeitskultur wäre in Deutschland undenkbar. Ich wundere mich über den Langmut der Teilnehmenden. Die Einzigen, die davon profitieren, sind die Fluggesellschaften durch die vielen verfallenen und umgebuchten Flieger. Für die Hotels und die Gastronomie sind die Zwangsaufenthalte allerdings lohnenswert.

22:00 Als letzte deutsche Beobachter haben Bertram Fleck und ich bei der für uns unergiebigen Sitzung durchgehalten nach der Devise: „Man weiß ja nie, vielleicht geht es ja plötzlich schneller.“
Das ist mitnichten der Fall. Mittlerweile kommen Zweifel auf, ob die Neuaufnahmen auf der Liste heute abgeschlossen oder doch eher morgen früh fortgesetzt werden. Das hätte für uns zur Folge, dass wir erneut warten müssen.

Etwas mürrisch beschließen wir, nachdem wir schon auf das Mittagessen verzichtet haben, uns nunmehr zum Abendessen auf den Weg zu machen. Bei unserem „Lieblings – Italiener“ treffen wir auch  Bernd von Droste zur Nachbereitung.

01:15 Wir kommen ins Hotel zurück, wo ich dieses Tagebuch schreibe.
Hoffentlich können wir morgen endlich unsere Mission erfüllen.

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